Veröffentlicht am 7. Oktober 2020

Unternehmensführung auf 18 Metern – und warum Friesland dabei eine große Rolle spielt!

In diesem Blogbeitrag geht es um Unternehmensführung und das Leitbild von Lega S – und damit ums Eingemachte. Welche Mittel und Methoden nutzt die Unternehmensleitung, um das Leitbild in Leitlinien umzusetzen? Woher kommen eigentlich die Inspirationen dafür?
Ein paar spannende Einblicke in das Innenleben der Lega S Jugendhilfe!

Wenn es um Leitbilder geht, geht es auch um Einstellungen und damit wird es persönlich. Bei der Lega S Jugendhilfe ist es Thomas Solbrig, der als Verantwortlicher die Entwicklung der gemeinnützigen GmbH leitet. Ein besonderes Interesse hat sich bei ihm mit der unternehmerischen Arbeit verbunden. Er ist nämlich Skipper (ein aus dem Niederdeutschen abgeleiteter Begriff für „Schiffsführer“). Die Erfahrungen aus seiner maritimen Begeisterung finden sich bei den von ihm geleiteten erlebnispädagogischen Segelprojekten für Jugendliche wieder. Aber auch seine Grundsätze zur Führung des Unternehmens sind maßgeblich von den Segelreisen geprägt.

Justus Möser

Was haben Skipper und Unternehmensleitung gemeinsam?

Klar, sie müssen entweder eine Besatzung oder eine Belegschaft führen. Bei Lega S gibt es alle paar Monate die Gelegenheit, an einem Segeltörn teilzunehmen und so aus der Rolle eines Mitarbeitenden in die eines Crewmitglieds zu schlüpfen – oder eben vom Geschäftsführer zum Kapitän zu werden.

Auf dem Boot finden sich dann alle Beteiligten in einem Mikrokosmos wieder, in dem vieles wie unter einem Brennglas sichtbar wird, was im Alltags- bzw. Arbeitsleben schnell mal verdrängt werden kann.

18 Meter schwankende Planken haben größeren Einfluss auf die eigene Befindlichkeit als der gewohnte Arbeitsplatz im Unternehmen und alle müssen einen Weg finden, wie damit umzugehen ist. Anders als im normalen Alltag braucht die Besatzung eines Schiffes viel klarere Regeln, Umgangsformen und Rollen, um kritische Situationen gemeinsam zu beherrschen.

Wer sich also als Teil einer Crew auf ein Boot begibt, fällt eine Entscheidung für diese Regelungen und übernimmt damit auch persönliche Verantwortung.

Boote brauchen immer ein Ziel

Ein Boot ohne Reisebestimmung treibt vor sich hin und gefährdet andere Boote. Daher braucht es immer ein Ziel und außerdem einen Plan, wie dieses erreicht werden kann – zwei entscheidende Elemente, die in erster Linie durch den Kapitän oder die Kapitänin bestimmt werden. Als Kopf der Besatzung obliegt es ihm oder ihr auch, die Ziele so zu verdeutlichen, dass sie von allen akzeptiert und unterstützt werden können.

Diese Aufgabe ist eine ständige Herausforderung und der begrenzte und nicht ungefährliche Raum auf einem Schiff – zumal auf einem überschaubaren 18m-Segler – ist daher ein wertvoller Erfahrungsort für Geführte und Führende. Die Fahrten auf dem Ijsselmeer und auf den Seen im niederländischen Friesland machen diese Erfahrungen regelmäßig möglich.

Schiffsführer oder Kommandant?

„Ein Skipper muss immer alles im Griff haben“.
Oder: „Skippers Wort ist Gesetz.

Oder auch: „Diskutiert wird nur an Land“.

„Alles Unsinn“, meint Thomas Solbrig. „Solche Regeln sind eben nicht zielführend und sollten weder beim Segeln noch in einem Unternehmen wie der Lega S Jugendhilfe gelten.“ Seiner seglerischen Erfahrung nach kommt es auf andere Dinge an als das Erzwingen von Folgsamkeit. Hier liegt eben der feine Unterschied zwischen Kapitän und Kommandant – letzteren gibt es ja auch nur auf Kriegsschiffen.

Worauf es ankommt, um anzukommen

Für alle Fälle gilt auf dem Schiff: Wer erfolgreich führen will, erreicht das mit Wertschätzung und Glaubwürdigkeit. Dem Skipper obliegt es, an Bord für eine positive Grundstimmung zu sorgen – und zwar eine natürliche, die sich wie von selbst entwickelt. Wenn an Bord Schwierigkeiten entstehen, darf er das nicht ignorieren. Er ist dafür verantwortlich, dass konstruktiv über die Art der Zusammenarbeit und mögliche Verbesserungen geredet wird.

Weil Führung aber auch zielgerichtet auf Andere Einfluss nimmt, ist damit eine große Verantwortung verbunden. Deshalb spielen bei jedem Führungshandeln auch innere Einstellungen und Haltungen gegenüber der Crew so eine große Rolle.

Aus diesen Einstellungen werden dann die Spielregeln an Bord. Im Unternehmen würde man dies Führungsgrundsätze nennen. Als selbstverpflichtende Aussagen beschreiben sie, wie Führung in einer Organisation gelebt werden sollte.

Mancher Grundsatz bekommt unter dem Aspekt „Segelschiff“ eine Bedeutung, die im Alltag an Land nicht zwangsläufig als besonders herausragend wahrgenommen wird:

  • Der Skipper ist auf seine Crew angewiesen und die Crew auf den Skipper. Er muss so führen, dass alle als Team das Ziel erreichen.
  • Zusammenarbeit braucht Vertrauen. Vertrauen wird durch Zusammenarbeit aufgebaut.
  • Skipper und Crew müssen sich gegenseitig vertrauen – und dem Schiff.
  • Kritische Situationen können durch Vertrauen besser aufgelöst werden. Die Crew akzeptiert die Erfahrung des Skippers, damit nichts „aus dem Ruder läuft“.
  • Der Skipper muss die Leistungen des Teams und individuelle Leistungen erkennen, anerkennen und Lob aussprechen können.
  • Der Skipper hat immer die Verantwortung für alles zu übernehmen, wenn etwas schiefläuft. Aber er muss auch mit der Schuld anderer umgehen können.
  • Die Entwicklung einer konstruktiven Fehlerkultur ist an Bord eines Schiffes besonders wichtig, denn sie kann Leben retten.

Der Skipper im Unternehmen

Die Führungserfahrungen als Skipper setzt Thomas Solbrig als Geschäftsführer der Lega S Jugendhilfe auch im täglichen Arbeitsalltag ein. Sie prägen damit die im Vergleich zum Bootsleben meistens nicht so dramatische Atmosphäre im Unternehmen. Auch hier gibt es einen Plan, ein Regelwerk, das im Leitbild von Lega S definiert ist. Das Leitbild bringt die erforderliche Klarheit in den Alltag, wenn es mal etwas unüberschaubar wird. Es definiert die Ziele (Reiseziele werden zu Geschäftszielen) und macht die Methoden transparent, mit denen sie erreicht werden sollen.

Einige Aussagen des Leitbildes der Lega S Jugendhilfe sind z. B.:

  • Unser Handeln ist getragen von einem humanistischen Menschenbild.
  • Menschlichkeit und Professionalität, Kompetenz und Gemeinnützigkeit stehen im Mittelpunkt unserer Tätigkeit.
  • Wir verstehen unsere Tätigkeit als einen gemeinsamen Prozess, der fortlaufend auf seine Wirksamkeit hin überprüft wird und mit einem formulierten Ziel endet.
  • Unsere Mitarbeiter*innen sind engagiert und übernehmen Verantwortung für ihr professionelles Handeln.
  • Die Grundlage dafür schaffen gute Arbeitsbedingungen, eigenverantwortliches Handeln und die Arbeit im Team.
  • Leitung und Mitarbeiterschaft pflegen einen respektvollen und zugewandten Umgang miteinander.

Genau wie auf einem Schiff liegt die Anforderung an die Unternehmensführung darin, die Ziele nicht aus dem Auge zu verlieren und die Mittel zur Umsetzung im Griff zu behalten.

Gefährliche Untiefen an unerwarteter Stelle

Im modernen Management eines Unternehmens verbergen sich allerdings auch Gefahren, die versteckt wie ein Riff unter Wasser lauern. So kann die Einführung von Begriffen der Betriebswirtschaft und der Wirtschaftstheorie zu einer schleichenden Entfremdung zwischen Unternehmensleitung und Belegschaft beitragen:

  • Kapitän gleich Geschäftsführer*in
  • Steuermann gleich Bereichsleiter*in
  • Matros*in gleich Mitarbeiter*in
  • Crew gleich Belegschaft
  • Personal gleich Human Resources (HR)
  • Anheuern gleich rekrutieren

Durch die geänderten Bezeichnungen verliert sich plötzlich die einfach zu erfassende Zuteilung von Rollen auf einem Schiff, es wird spürbar anonym und eigene Spielräume werden eingeschränkt. Denn solange es meine Entscheidung ist, auf einem Schiff anzuheuern, verantworte ich das selbst, werde ich aber rekrutiert, bedeutet das einen Verlust meiner Entscheidungsfreiheit. Damit leidet auch das Zugehörigkeits- und Verantwortungsgefühl und es wird schwieriger, gesetzte Ziele gemeinsam zu erreichen.

Wenn Begriffe aus der Wirtschaftswissenschaft wie Human Resources und die eng damit verbundene Bezeichnung Humankapital Einzug in die betriebliche Kommunikation halten, wird das Gefühl der Verbundenheit zwischen Mitarbeitenden und dem Unternehmen belastet. Wertschätzung von Menschen wird ersetzt durch berechnende Begriffe. Immerhin hat es der Begriff „Humankapital“ geschafft, zum Unwort des Jahres 2004 zu werden, was ihn allerdings an einer weiteren Verbreitung nicht gehindert hat.

Respekt auf der ganzen Linie

Das Schiff ist vergleichbar mit einem Unternehmen. Es gibt eine Führung, leitende Mitarbeiter und eine Crew. Was es nicht gibt, sind zackige Begriffe wie „HR“, also „Human Resources“, denn Ressourcen sind zum Verbrauchen da, Menschen und ihre Fähigkeiten nicht. Übertragen auf ein Schiff wird die Absurdität dieses Begriffes deutlich, denn eine verbrauchte Besatzung ist auch der Tod eines Schiffes.

So haben also die maritimen Friesland-Erfahrungen von Thomas Solbrig dazu beigetragen, dass die Personalführung als Teil der Unternehmensführung bei Lega S einen sehr hohen Stellenwert bekommen hat. Die zielorientierte Einbindung der Mitarbeitenden und Führungskräfte in die Aufgaben des Unternehmens ist damit ein wesentlicher Bestandteil der Arbeit der Lega S Jugendhilfe.

Und natürlich muss man nicht als Skipper auf friesischen Meeren unterwegs gewesen sein, um Führungskompetenzen zu erlernen. Es geht auch an Land – aber den Stürmen sollte man auch da nicht aus dem Weg gehen.

 

AHOI – die Lega S Jugendhilfe gGmbH

 

Fotonachweis: Lega S Jugendhilfe