Queere Stadtführung:
Warum es für uns als Jugendhilfe so wichtig ist
Warum sollten wir als Mitarbeitende der Lega S Jugendhilfe an einer queeren Stadtführung teilnehmen? Ganz einfach: Weil es für unsere Arbeit unerlässlich ist, die Geschichten und Herausforderungen all derjenigen zu verstehen, die sich am Rand gesellschaftlicher Normen bewegen.
Unser Ziel ist es, jungen Menschen einen sicheren Ort zu bieten, in dem sie sich unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung oder Identität akzeptiert und respektiert fühlen. Eine Stadtführung wie diese hilft uns, die oft unsichtbaren Geschichten queerer Menschen zu erfahren und unser Verständnis für ihre Lebensrealität zu vertiefen.
Ende September 2024 machten wir uns also gemeinsam mit Lars Linnhoff auf den Weg durch Osnabrück, um die queere Geschichte unserer Stadt zu entdecken. Schon nach wenigen Minuten war klar: Diese Führung würde uns nicht nur informieren, sondern auch emotional berühren und immer wieder zum Nachdenken anregen. Lars begann mit einer Zeitreise – wir erfuhren, dass es bereits vor 8000 Jahren Hinweise auf queere Menschen gab. Zwar nicht in Osnabrück, aber allein diese Tatsache zeigt, dass queere Identitäten keine moderne Modeerscheinung sind, sondern seit Menschengedenken existieren.
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Von Stolpersteinen und Paragrafen
Wir besuchten verschiedene Orte in Osnabrück und stießen auf die verdrängte, aber bedeutsame Geschichte der queeren Community. Besonders eindringlich wurde es, als Lars uns vom § 175 des deutschen Strafgesetzbuches erzählte. Dieser wurde 1871 eingeführt und stellte sexuelle Handlungen zwischen Männern unter Strafe. Während der Zeit des Nationalsozialismus wurde der Paragraph 1935 erheblich verschärft, was zu massiver Verfolgung und Inhaftierung homosexueller Männer führte, auch in Osnabrück.
Die Stolpersteine, an denen wir vorbeikamen, erinnern noch heute an diese Opfer. Auch nach dem Zweiten Weltkrieg blieb Paragraph 175 bestehen und wurde erst 1969 in der Bundesrepublik teilweise liberalisiert, bevor er 1994 endgültig abgeschafft wurde.
Obwohl der Paragraph offiziell nur Männer betraf, litten auch Frauen unter der gesellschaftlichen Ächtung ihrer sexuellen Orientierung. Viele verloren ihre Arbeitsstellen oder gar das Sorgerecht für ihre Kinder, obwohl sie nicht direkt strafrechtlich verfolgt wurden. Der § 175 institutionalisierte Homophobie und verstärkte negative Stereotype, die dazu führten, dass Homosexualität lange Zeit ein Tabuthema blieb. Viele Betroffene lebten in ständiger Angst vor Entdeckung, was zu sozialer Isolation und schweren psychischen Belastungen führte.
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Hoffnung und Widerstand: Rosa Flut und Gay in May
Aber Lars erzählte uns auch von hoffnungsvollen Momenten in der Geschichte Osnabrücks. 1979 wurde in der Lagerhalle das erste queere Festival gegründet – die Rosa Flut, später bekannt als Gay in May. Dieses Festival ist bis heute das älteste queere Kulturfestival in Deutschland. Es zeigt, dass es immer wieder Menschen gab, die den Mut hatten, für ihre Identität einzustehen und sich gegen Diskriminierung zu wehren. Auch in den 80er Jahren gab es in Osnabrück viele Treffpunkte für die Community, mehr als heute, was uns daran erinnerte, dass sichtbare Räume für queere Menschen auch heute dringend gebraucht werden.
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Aktuelle Anlaufstellen in Osnabrück
Doch auch heute gibt es Orte, an denen sich queere Menschen sicher und willkommen fühlen können:
Friends of Dorothy: Eine queere Jugendgruppe, geleitet von Madou (keine Pronomen), die sich im Haus der Jugend trifft. Kontakt: madou.klaes@falken-weserems.de
Bambule35: Ein queer-feministischer Safe Space in der Hannoverschen Straße 35. Zu finden auf Instagram: @Bambule35
STARKIDS*: Selbsthilfegruppe und erste Anlaufstelle für Transkinder, Transjugendliche und ihre Eltern. Instagram: @starkids_shg
Queer Refugees and Friends: Stammtisch in der Lagerhalle. Kontakt: rainbowrefugeesos@posteo.de
Ein weiterer Tipp: JUNGSFRAGEN: Auf YouTube und Instagram gibt es den fantastischen Account JUNGSFRAGEN – alles rund um Körper, Geschlecht, Sexualität und Aufklärung speziell für Jungs.
Noch ein Tipp: AIDSHILFE OSNABRÜCK
Und wenn es um Tests für HIV und andere sexuell übertragbare Infektionen geht: unbedingt zur Aidshilfe! Die arbeiten anonym und kostenlos! Das kann man nicht oft genug sagen.
Und zu guter Letzt ein Hinweis:
SCHLAU OSNABRÜCK
Junge queere Menschen aus Osnabrück, die Aufklärungsarbeit hinsichtlich queerer Sexualitäten und Identitäten leisten.
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Warum eine solche Stadtführung so hilfreich für unsere Arbeit ist
Für uns als Jugendhilfe ist es von großer Bedeutung, ein Bewusstsein für die Geschichte und die Lebensrealitäten von queeren Menschen zu haben.
Die Geschichten über Verfolgung, Widerstand und den langsamen gesellschaftlichen Wandel inspirieren uns, weiterhin für ein Klima der Akzeptanz und Solidarität einzustehen. Denn nur, wenn wir die Vergangenheit kennen, können wir aktiv an einer besseren Zukunft mitwirken.